Himmelscheibe Nebra_CC BY SA 3.0

Die Himmelsscheibe von Nebra

Sie gilt als Schlüsselfund der Archäologie, Astronomie und Religionsgeschichte: Die Himmelsscheibe von Nebra. Die Bronzescheibe mit Goldauflagen fesselt mit der unglaublichen Kriminalgeschichte ihrer Aufspürung ebenso wie mit der Enträtselung der abgebildeten Gestirne. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um die älteste konkrete Himmelsdarstellung der Menschheit.

Die weltberühmte Himmelsscheibe von Nebra ist einer der außergewöhnlichsten Funde der mitteleuropäischen Vorgeschichte und weltweit ein Unikat. In Gold auf Bronze zeigt sie die weltweit älteste Darstellung konkreter Himmelserscheinungen. Um 1600 v. Chr. wurde sie zusammen mit zwei kostbaren Schwertern, zwei Beilen, einem Meißel und zwei Armspiralen auf dem Mittelberg bei Wangen (Ortsteil von Nebra) in Sachsen-Anhalt als Weihegabe an die Götter vergraben, war aber sicherlich vorher schon einige Generationen lang in Gebrauch.

Fünf Gestaltungsphasen

Insgesamt weist die Himmelsscheibe von Nebra fünf Gestaltungsphasen auf. In einer ersten Nutzungsphase waren auf ihr lediglich 32 Sterne, darunter als einzige bestimmbare Sternengruppe die Plejaden, das sog. Siebengestirn, ferner Sonne und Sichelmond dargestellt. Wie Astronomen feststellen konnten, verbirgt sich hinter dieser Darstellung eine komplizierte Schaltregel, mit deren Hilfe die Diskrepanz zwischen Mondjahr (mit einer Dauer von ca. 354 Tagen) und Sonnenjahr (mit einer Dauer von ca. 365 Tagen) ausgeglichen werden konnte.

Ein späterer Nutzer überdeckte einige Sterne mit seitlichen Randbögen und veränderte damit den Sinn der Darstellungen erheblich. Die Randbögen bilden einen Winkel von 82,7° und sind somit zweifelsfrei als Horizontbögen anzusprechen. Dabei entspricht der Winkel exakt demjenigen, den die Sonne bei ihren Auf- und Untergängen auf der geographischen Breite Sachsen-Anhalts zwischen Sommer- und Wintersonnenwende durchläuft.

Da vom Fundort aus gesehen die Sonne am Tag der Sommersonnenwende hinter dem Massiv des Brockens untergeht, ist damit auch ein Fixpunkt festgelegt, mit dessen Hilfe die Himmelsscheibe als Kalender genutzt werden konnte. Die Nüchternheit dieser rein astronomischwissenschaftlichen Darstellungsweise ist bislang nicht nur für die frühe Bronzezeit, sondern für die gesamte Vorgeschichte beispiellos.

In einer dritten Phase wurde als nun mythologisch-religiöses Element ein stilisiertes Schiff angebracht, das den Transport der Sonne über den Himmel symbolisiert. Zu einem noch späteren Zeitpunkt wurde der Rand gelocht, um die Scheibe wohl in Art einer Standarte zeigen zu können. In einer fünften Phase entfernte man wohl intentionell einen der beiden Horizontbögen und machte den Gegenstand damit symbolisch unbrauchbar. In dieser Form wurde die Himmelsscheibe als Gabe an die Götter vergraben.

Bis zur Auffindung der Himmelsscheibe traute man den Menschen der Vorzeit ein derart exaktes astronomisches Wissen nicht zu. Als erster manifester Beleg für derartige umfassende Kenntnisse ist sie ein Objekt von herausragender kultureller Bedeutung.

Großskulpturen Liptak

Schwerter aus der Frühbronzezeit

Auch die beiden Schwerter des Schatzes sind von außergewöhnlicher Form und herausragender Qualität. Ihre Klingen stellen wohl eine lokale Eigenschöpfung aus nord- und osteuropäischen Elementen dar. In einem der Griffe fanden sich noch Reste von Birkenrinde, deren Radiokarbondatierung die typologische Einordnung der Schwerter an das Ende der Frühbronzezeit stützt.

Außergewöhnlich werden die Schwerter allerdings vor allem durch die Verzierung der Schauseiten der Klingen und Griffe durch Ziselierungen und Kupfereinlagen (Tauschierungen). Die Kupfertauschierung der Griffe und Klingen ist noch ungewöhnlicher als die kostbaren Goldmanschetten, mit denen die Griffe versehen sind und die ebenfalls ein eigenwilliges Element der Nebra-Schwerter darstellen.

Im Jahr 1999 wurde der gesamte Schatz mit der Himmelsscheibe von Nebra von zwei Raubgräbern illegal ausgegraben. Die Räuber verkauften ihren Fund, dann wechselte er über Händler und Hehler mehrmals den Besitzer, bis er 2002 in einem Hotel in Basel bei einer fingierten Ankaufsituation von der Schweizer Polizei sichergestellt werden konnte. Seitdem erregte die Himmelsscheibe von Nebra nicht nur immer wieder große internationale Aufmerksamkeit, sondern ist auch wieder im Besitz ihres rechtmäßigen Eigentümers, des Landes Sachsen-Anhalt.

Seit 2008 sind die Funde fester Bestandteil der Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Dort kann man den gesamten Schatz, darunter die Himmelsscheibe von Nebra, besichtigen. Das Museum gehört zu den wichtigsten archäologischen Museen in Mitteleuropa (www.landesmuseum-vorgeschichte.de).

Besucherzentrum Mittelberg

Aufgrund des weltweiten Interesses an der Himmelsscheibe und ihrem Fundort im südlichen Sachsen-Anhalt wurde 2007 ein multimediales Besucherzentrum am Mittelberg eröffnet: die Arche Nebra (www.himmelsscheibe-erleben.de). Die Arche Nebra entführt in die faszinierende Welt der 3600 Jahre alten Himmelsscheibe. Nahe dem Fundort der einzigartigen Bronzescheibe verbindet das Besucherzentrum in einem abwechslungsreichen Zusammenspiel von wissenschaftlichen Informationen und lebendigen Inszenierungen Archäologie und Astronomie. Die Himmelsscheibe ist dabei ständig anwesend, auch das Besucherzentrum einen weniger musealen, sondern eher erlebnisorientierten Ansatz. Herzstück der Arche Nebra ist ein Planetarium mit einer Show zur astronomischen Deutung der Himmelsscheibe. Etwa drei Kilometer vom Besucherzentrum entfernt markiert das „Himmelsauge“, eine leicht gekrümmte Scheibe aus poliertem Edelstahl, die Fundstelle der Himmelsscheibe von Nebra. In unmittelbarer Nähe gibt es auch einen um zehn Grad geneigten Aussichtsturm, der auf die Fundstelle gerichtet ist.